Mandanteninfo Juli 2024
1. Erster Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 liegt vor.
Kaum haben sich die Wogen um das Wachstumschancengesetz v. 27. März 2024 geglättet (siehe unseren Mandanten-Infobrief vom Mai 2024), liegt schon ein neuer Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) auf dem Tisch, welches das Bundeskabinett am 05. Juni 2024 in den Bundestag eingebracht hat.
Auch wenn bis zur endgültigen Verabschiedung zum Ende des Jahres noch mit einigen Änderungen zu rechnen ist, blicken wir schon einmal voraus und stellen Ihnen nachfolgend wesentliche Änderungsvorschläge vor:
1.1 Mobilitätsbudget
Vorgesehen ist die Einführung eines Mobilitätsbudgets für Arbeitnehmer, unabhängig von der Art des Verkehrsmittels (außer private KfZ, Dienstwagen und Luftfahrzeuge) vor. Damit sollen Arbeitnehmer quasi ein beliebiges Bundle moderner Fortbewegungsmöglichkeiten (E-Scooter, Car- & Bike-Sharing, ÖPNV etc.) nutzen können, ohne dass eine individuelle Ermittlung des hieraus resultierenden geldwerten Vorteils notwendig ist. Daher soll das Mobilitätsbudgets der Pauschalbesteuerung i.H.v. 25 % unterfallen, max. 2.400 € p. a. Es wird vom Arbeitgeber ein Betrag zur Verfügung gestellt, den Mitarbeitende frei für die Gestaltung ihres Arbeitswegs verwenden können.
Begünstigt sein soll die Nutzung an sich, nicht dagegen die Erstattung reiner Einzelkosten (z. B. Treibstoffkosten in Form von Tankkarten, Reparaturleistungen). Begünstigt sind danach Sachbezüge (z. B. bestimmte zweckgebundene Gutscheine, Wertguthabenkarten etc.) und auch Zuschüsse (Geldleistungen wie z. B nachträgliche Kostenerstattungen), die einem Arbeitnehmer zur Nutzung von Mobilitätsleistungen – auch für private Fahrten - gewährt werden. Ebenso soll der Erwerb von Einzelfahrkarten, Zeitkarten und Ermäßigungskarten für den Bus- und Bahnverkehr begünstigt werden.
1.2 Änderungen bei den Größenmerkmalen für Photovoltaikanlagen
Die Regelung zur Steuerbefreiung von PV-Anlagen soll dahingehend vereinfacht werden, dass es für die Anwendung der Steuerbefreiung nur noch auf die zulässige Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister bis zu 30KWp je Wohn- und Geschäftseinheit ankommt. Aktuell gilt bei gemischt genutzten Gebäuden noch eine Grenze von 15 KWp je Wohn- und Geschäftseinheit, so dass zukünftig weitere PV-Anlagen von der Steuerbefreiung profitieren würden.
Zudem soll klargestellt werden, dass es sich bei der Steuerbefreiung um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handelt. D. h. bei Überschreiten der maßgeblichen Grenzen kommt es immer zu einer vollen Steuerpflicht der Einnahmen aus der Stromlieferung.
1.3 Bonusleistungen einer Krankenversicherung
Der Sonderausgabenabzug von Beitragszahlungen zur Krankenversicherung (KV) soll nicht um Bonusleistungen der KV gekürzt werden, sofern diese 150 € pro Person und Jahr nicht überschreiten.
Hinweis: Eine aktuelle Verbesserung für Steuerpflichtige ist damit nicht verbunden, da die Finanzämter im Billigkeitswege derartige Bonuszahlungen bereits heute als unschädlich anerkennen. Positiv ist jedoch trotzdem, dass diese Regelung nun gesetzlich abgesichert wird.
1.4 Mitarbeiterbeteiligungen
In die zeitlich hinausgeschobene Arbeitslohnversteuerung für Vermögensbeteiligungen am Arbeitgeberbetrieb sollen rückwirkend ab dem Jahr 2024 auch Anteile an verbundenen Unternehmen einbezogen werden.
1.5 Kleinunternehmerregelung (Umsatzsteuer)
Die Kleinunternehmerregelung des Umsatzsteuergesetzes soll umfassend geändert werden. Der Entwurf sieht die Anhebung der Besteuerungsgrenze auf 25.000 € (Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr) bzw. 100.000 € (Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr) sowie die Einführung eines besonderen Meldeverfahrens mit Kleinunternehmer-Identifikationsnummer zur Nutzung der Kleinunternehmerregelung in anderen Mitgliedstaaten vor.
Hinweis: Die Neuregelung soll es auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern ermöglichen, die Kleinunternehmerregelung in Deutschland anzuwenden.
1.6 Hausbrauerei
Und noch eine gute Nachricht für Hausbrauer: Die von der Biersteuer steuerbefreite Menge Bier soll von 2 hl auf 5 hl angehoben werden und eine Brauanzeige zukünftig nicht mehr nötig sein.
2. Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft?
Eine weitere gute Nachricht für Landwirte: Die Möglichkeit der Tarifermäßigung soll um zwei Betrachtungszeiträume nämlich die Veranlagungszeiträume 2023 bis 2025 und 2026 bis 2028 verlängert werden.
Hintergrund: Die Tarifglättung führt dazu, dass Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein dreijähriger Betrachtungszeitraum ist. Damit kommt es praktisch schon bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu einem Ausgleich der Einnahmen „guter“ und „schlechter“ Jahre. Ziel der Regelung ist eine Abmilderung von Gewinnschwankungen infolge des Klimawandels und allgemein schwankender Witterungsbedingungen.
3. Hinweis: Elektronische Rechnung ab 01. Januar 2025
Das Wachstumschancengesetz v. 27. März 2024 führt ab dem 01. Januar 2025 für inländische Umsätze zwischen Unternehmern (sog. B2B-Umsätze) die Verpflichtung zur Erteilung einer elektronischen Rechnung ein.
Die elektronische Rechnung (eRechnung) ist hierbei nach der gesetzlichen Regelung eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format (XML-Datei) alle notwendigen Rechnungsangaben enthält, elektronisch ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht.
Stufenweise Einführung der eRechnung
Die eRechnung soll stufenweise ab 2025 bis 2028 eingeführt werden.
• Rechnungen bis zum 31.12.2026 (für Umsätze von 01.01.2025 bis 31.12.2026) können weiterhin in Papierformat oder – bei Zustimmung des Empfängers – in einem anderen elektronischen Format;
• Rechnungen bis zum 31.12.2027 (für Umsätze von 01.01.2027 bis 31.12.2027) bei Unterschreiten einer Umsatzgrenze von 800.000 € in Papierformat oder – bei Zustimmung des Empfängers – in einem anderen elektronischen Format und
• Rechnungen bis zum 31.12.2027 (für Umsätze von 01.01.2026 bis 31.12.2027) bei Zustimmung des Empfängers in sog. EDI-Formaten, die nicht der CEN-Norm EN 16931 entsprechen oder mit dieser interoperabel sind
übermittelt werden.
Beachten Sie: Diese Übergangsregelungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich jedes Unternehmen ab dem 01. Januar 2025 mit eRechnungen für Eingangsleistungen konfrontiert sehen kann, ohne dass es seiner Zustimmung bedarf. Die Übergangsregelungen begründen nämlich lediglich Ausnahmen für die Ausstellung von Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers. Der Leistende selber kann jedoch bereits schon ab dem Jahr 2025 auf das neue eRechnungs-Format umstellen.
Praktische Umsetzungsphase
Daraus ergibt sich folgender Zeitablauf für inländische steuerpflichtige B2B-Umsätze:
• 2024: Vorbereitungsphase;
• 2025 - 2026: Grundsätzliche Pflicht zur eRechnung bei inländischen B2B-Umsätzen mit allgemeiner Ausnahme (Papierformat ohne Zustimmung des Empfängers, anderes elektronisches Format und EDI-Rechnungen bei Zustimmung des Empfängers);
• 2027: Allgemeine Ausnahmen nur für EDI-Rechnungen; Rechnungen in Papierformat oder – bei Zustimmung des Empfängers – in einem anderen elektronischen Format nur noch bei Einhaltung der Umsatzgrenze von € 800.000;
• 2028: Verpflichtung zur eRechnung bei allen inländischen steuerpflichtigen B2B-Umsätzen.
Hinweis: Zu Einzelheiten verweisen wir auf unseren speziellen Informationsbrief zur Einführung der eRechnung und unterstützen Sie gerne bei der Umstellung in Ihrem Unternehmen.
4. Grundsteuer Bundesmodell: BFH hat Aussetzung der Vollziehung zugelassen
Erstmals hatte der Bundesfinanzhof (BFH) Gelegenheit zur neuen Grundsteuer nach dem sog. Bundesmodell Stellung zu nehmen. Dieses Bundesmodell gilt für Grundstücke in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland (mit abweichender Steuermesszahl), Sachsen (mit abweichender Steuermesszahl), Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, und Thüringen.
Im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der BFH nun entschieden, dass es möglich sein muss, auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall einen niedrigeren (gemeinen) Wert nachzuweisen. Übersteigt der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr, so ist die Wertfeststellung anhand der typisierenden pauschalierenden gesetzlichen Regelungen des Bewertungsgesetzes nicht mehr zulässig. Sonst läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Gesetzeswortlaut entnehmen, ist aber das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung durch den BFH.
Aufgrund von Besonderheiten hinsichtlich der Grundstücksituation gelang es den Steuerpflichtigen in beiden vom BFH zu entscheidenden Fällen, jeweils Zweifel daran zu begründen, dass die typisierenden gesetzlichen Regelungen nicht zu einer Übermaßbesteuerung führen. Konkret lagen folgende Besonderheiten vor:
• Aktenzeichen II B 78/22: Abrissobjekt erhebliches Alter des Gebäudes (Baujahr 1880), schlechter Instandhaltungszustand (jegliche Renovierungen unterblieben)
• Aktenzeichen II B 79/22: Bebauung in zweiter Reihe, Hanglage, Erschließung für Bebauung schwer möglich
In beiden Fällen war daher nach Ansicht des BFH die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Nach summarischer Prüfung sei nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten.
Des Weiteren wurden im Zuge der beiden Verfahren gegen das Bundesmodell auch folgende verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht:
• Strukturelles Vollzugsdefizit: Fehlende Gewährleistung, dass die Gutachterausschüsse bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte sämtliche wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale berücksichtigen.
• Keine gleichheitsgerechte Bewertung: Im typisierten Ertragswertverfahren erfolgt nur eine unzureichende Differenzierung nach der Lage der Gebäude und der Größe des Grundstücks.
Zu diesen Fragestellungen äußerte sich der BFH in den beiden Beschlüssen über die Aussetzung der Vollziehung aber nicht. Er ließ beide Fragen ausdrücklich offen.
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