Mandanteninfo Juni 2023
1. Pflegeversicherung – Lohnabrechnungen ab Juli 2023
Für die zutreffende Abrechnung der Pflegeversicherung werden ab Juli 2023 Nachweise zur Geburt der Kinder gefordert. Als Nachweise dürften am einfachsten die Geburtsurkunden der Kinder sein. Wir benötigen daher für die korrekte Lohnabrechnung ab Juli die Geburtsurkunden der Kinder.
Pflegeversicherungsreform
Das Pflegeunterstützungs- und entlastungs-gesetzes (PUEG) wurde am 24.05.2023 vom Bundestag beschlossen und sieht u.a. eine geänderte Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung (PV) ab 01.07.2023 vor. Hiernach wird der PV-Beitragssatz auf 3,40% angehoben (bisher 3,05%).
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungs-gericht den Gesetzgeber mit Beschluss vom 07.04.2022 angehalten, das PV-Beitragsrecht im Hinblick auf die Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern bis spätestens 31.07.2023 verfassungskonform auszugestalten. Das PUEG enthält hierzu die folgenden Regelungen:
• Der PV-Beitragszuschlag für kinderlose Arbeitnehmer wird auf 0,60% angehoben (bisher 0,35%).
• Für Personen mit einem Kind gilt weiterhin der reguläre PV-Beitragssatz (s.o. - 3,40% ab 01.07.2023), unabhängig vom Alter des Kindes.
• Personen mit mehreren Kindern erhalten ab dem zweiten bis zum fünften Kind einen PV-Beitragsabschlag von 0,25% pro Kind. Allerdings werden bei der Berechnung des Abschlags nur Kinder berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
• Der PV-Arbeitgeber-Anteil beträgt immer 1,70% (in Sachsen 1.20%).
• Kinderlose Arbeitnehmer bezahlen bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres weiterhin keinen PV-Beitragszuschlag. Allerdings profitieren auch Eltern, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, von den PV-Beitragsabschlägen.
• Die Elterneigenschaft und die Anzahl der Kinder sind gegenüber dem Arbeitgeber in geeigneter Form nachzuweisen.
Erfolgt der Nachweis innerhalb von drei Monaten nach der Geburt, gilt er mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten ab dem Monat, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird.
Nachweise für vor dem 01.07.2023 geborene Kinder, die bis zum 31.12.2023 erbracht werden, wirken vom 01.07.2023 an.
Die o.g. Regelungen gelten auch für freiwillig in der gesetzlichen Pflegeversicherung versicherte Arbeitnehmer. Wird der PV-Arbeitgeber-Anteil an den Arbeitnehmer ausbezahlt, ist der Kinder-Nachweis gegenüber der Kranken-/Pflegekasse zu erbringen.
Damit in der Lohnabrechnung der PV-Beitrag ab dem Abrechnungsmonat Juli 2023 korrekt berechnet wird, müssen bei den Arbeitnehmern, die mehr als ein Kind haben (wobei mindestens ein Kind im Juli 2023 das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf) die Kinder und deren Geburtsdatum im Lohnabrechnungsprogramm erfasst sein.
Im Umkehrfall heißt das, dass bei Arbeitnehmern, die ein Kind haben oder die mehr als ein Kind haben, wobei alle Kinder das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben, grds. nicht tätig werden müssen. Wir empfehlen jedoch, gerade bei Arbeitnehmern, die ein Kind haben, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, auch dieses eine Kind und dessen Geburtsdatum zu erfassen, da deren Familienplanung vielleicht noch weitere Kinder vorsieht.
Wichtig: Wenn ein Arbeitnehmer mehr als ein Kind hat, wovon wiederum mindestens ein Kind das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, müssen Sie alle Kinder und deren Geburtsdatum erfassen - also auch die Kinder, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben. Die komplette Angabe aller Kinder ist für eine korrekte PV-Beitragsberechnung zwingend erforderlich.
Daneben sind weitere Maßnahmen für die Zukunft beschlossen worden. So soll bspw.
- das Pflegegeld zum 01. Januar 2024 um 5% erhöht und auch die ambulantenSachleistungsbeträge 5% angehoben werden.
- Das Pflegeunterstützungsgeld kann ebenfalls ab dem 01. Januar 2024 von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.
- Zum 01. Januar 2025 und zum 01. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert.
- Die Regelungen zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI sollen darüber hinaus völlig neu strukturiert und systematisiert werden.
2. Erbschaftsteuer möglicherweise – Verfassungswidrig?
Ob die derzeit geltenden Regelungen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer auf Betriebs- und Privatvermögen verfassungswidrig sind, ist in der Fachwelt umstritten. Die Bundesrechtsanwaltskammer pflichtet nun einem Erben bei, der die Frage gerichtlich klären lassen will und aktuell beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Doch der Reihe nach:
2.1 Vorgeschichte
Bereits im Jahr 2014 urteilte das BVerfG in einer vielbeachteten Entscheidung, dass bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach den damals geltenden Regelungen Betriebsvermögen im Vergleich zu Privatvermögen über privilegiert war. Als Folge wertete es sowohl die Besteuerung von Betriebsvermögen als auch von Privatvermögen als verfassungswidrig und gab dem Gesetzgeber auf, innerhalb einer bestimmten Frist verfassungskonforme Regelungen zu schaffen.
Ob die daraufhin vom Gesetzgeber im Jahr 2016 vorgenommene Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Verfassungsverstoß wirklich beseitigt hat, möchte ein Erbe im nun anhängigen Verfahren klären lassen.
2.2 Bisheriger Verfahrensverlauf
Der Kläger erbte im Jahr 2018 Privatvermögen und wandte sich gegen dessen Besteuerung im Rahmen der Erbschaftsteuer zunächst an das Finanzgericht Münster. Das Gericht wiese die Klage jedoch ab. Die Richter hatten keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung bzw. hielten sie die Frage für die Besteuerung von Privatvermögen für nicht relevant. Außerdem ließen sie die Revision zu nächsthöheren Instanz - dem Bundesfinanzhof ( BFH ) nicht zu.
Dagegen wehrte sich der Erbe mittels s.g. " Nichtzulassungsbeschwerde " beim BFH. Er war der Ansicht, dass die Frage der Verfassungskonformität der gesetzlichen Neuregelung auch für das Privatvermögen von Bedeutung und die Revision daher zuzulassen sei. Doch der BFH sah keinen Grund für ein Revisionsverfahren. Er hielt die Frage der Verfassungskonformität der Erbschaftsteuer für mittlerweile geklärt, da er sich damit bereits in einem anderen Verfahren befasst hatte.
2.3 Worüber hat das BVerfG zu entscheiden?
Gegen diesen Beschluss des BFH hat der Erbe nun wie erwähnt Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erhoben. Dieses muss nun klären, ob ein Revisionsverfahren vor dem BFH vorliegend nicht doch zulässig ist. Insbesondere wird es hierbei darum gehen, ob sich der BFH in dem anderen Verfahren tatsächlich schon in ausreichendem Maße mit der Frage der Verfassungskonformität der Neuregelung auseinandergesetzt hat.
In der o.g. Stellungnahme verneint die Bundesrechtsanwaltskammer nun diese Frage und ergreift damit Partei für die Argumente des Erben. Nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer verletzt die Entscheidung des BFH den Kläger in seinem Recht auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes. Die Revision sei zuzulassen. Der BFH müsse sich noch einmal mit der Frage der Verfassungskonformität der reformierten Besteuerungsregeln auseinandersetzen.
2.4 Fazit
Die Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer lässt hoffen. Sollte das BVerfG positiv für den Erben entscheiden, müsste sich der BFH noch einmal inhaltlich eingehend mit der aufgeworfenen Frage der Verfassungswidrigkeit befassen. Bis zur Klärung dieser Fragen können Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbescheide mittels Einspruchs offengehalten werden.
3. Firmenwagen: Wann der Anscheinsbeweis für die private Nutzung spricht.
Trotz eines vereinbarten Privatnutzungsverbots kann der Anscheinsbeweis für eine private Kfz-Nutzung des Firmen-Pkw sprechen. Das gilt insbesondere dann, wenn das private Fahrzeug nicht ganzjährig genutzt werden kann.
Hintergrund
Im Rahmen einer Betriebsprüfung einer GmbH wurde die private Nutzung eines betrieblichen Pkw durch den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer angenommen und dafür eine verdeckte Gewinnausschüttung und bei der Umsatzsteuer eine unentgeltliche Wertabgabe berücksichtigt. Hintergrund war, dass auf den Geschäftsführer privat nur ein Cabrio zugelassen und er damit auf den Firmenwagen auch für private Zwecke angewiesen war. Die GmbH verneinte dies und verwies auf ein ausgesprochenes Nutzungsverbot für private Zwecke.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Auch das FG hat den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung bzw. einer unentgeltlichen Wertabgabe im Zusammenhang mit dem Firmen-Pkw wegen eines nicht erschütterten Anscheinsbeweises für rechtmäßig erachtet. Die Frage, ob tatsächlich eine (unbefugte) private Pkw-Nutzung vorliegt, ist nach allgemeinen Grundsätzen festzustellen. Da diese Steuer erhöhend wirkt, trägt grundsätzlich das Finanzamt die objektive Beweislast (Feststellungslast).
Zuvor ist jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen, ob sich das Gericht z. B. unter Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises eine Überzeugung von den tatsächlichen Lebensumständen bilden kann. Dabei liegt dem Anscheinsbeweis ein typischer, aber nicht unbedingt der tatsächliche Geschehensablauf zugrunde. Dabei gelangte das FG als Ergebnis der Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung, dass eine private Mitbenutzung des Firmen-Pkw vorgelegen hat.
Dem steht auch die Rechtsprechung des BFH nicht entgegen, wonach für die lohnsteuerrechtliche Behandlung ein Anscheinsbeweis als Feststellung der privaten Nutzung nicht ausreicht, wenn keine zusätzlichen objektiven Beweise vorliegen. Diese Grundsätze sind nicht auf die Ebene der GmbH bei Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung übertragbar und auch nicht für die umsatzsteuerliche Wertung als unentgeltliche Wertabgabe.