Mandanteninfo September 2024
1. Grundsteuer Bundesmodell: BFH hat Aussetzung der Vollziehung zugelassen.
Erstmals hatte der Bundesfinanzhof (BFH) Gelegenheit zur neuen Grundsteuer nach dem sog. Bundesmodell Stellung zu nehmen. Dieses Bundesmodell gilt für Grundstücke in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland (mit abweichender Steuermesszahl), Sachsen (mit abweichender Steuermesszahl), Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, und Thüringen.
Im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der BFH nun entschieden, dass es möglich sein muss, auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall einen niedrigeren (gemeinen) Wert nachzuweisen. Übersteigt der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr, so ist die Wertfeststellung anhand der typisierenden pauschalierenden gesetzlichen Regelungen des Bewertungsgesetzes nicht mehr zulässig. Sonst läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Gesetzeswortlaut entnehmen, ist aber das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung durch den BFH.
Aufgrund von Besonderheiten hinsichtlich der Grundstücksituation gelang es den Steuerpflichtigen in beiden vom BFH zu entscheidenden Fällen, jeweils Zweifel daran zu begründen, dass die typisierenden gesetzlichen Regelungen nicht zu einer Übermaßbesteuerung führen. Konkret lagen folgende Besonderheiten vor:
• Aktenzeichen II B 78/22: Abrissobjekt erhebliches Alter des Gebäudes (Baujahr 1880), schlechter Instandhaltungszustand (jegliche Renovierungen unterblieben)
• Aktenzeichen II B 79/22: Bebauung in zweiter Reihe, Hanglage, Erschließung für Bebauung schwer möglich
In beiden Fällen war daher nach Ansicht des BFH die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Nach summarischer Prüfung sei nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten.
Des Weiteren wurden im Zuge der beiden Verfahren gegen das Bundesmodell auch folgende verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht:
• Strukturelles Vollzugsdefizit: Fehlende Gewährleistung, dass die Gutachterausschüsse bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte sämtliche wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale berücksichtigen.
• Keine gleichheitsgerechte Bewertung: Im typisierten Ertragswertverfahren erfolgt nur eine unzureichende Differenzierung nach der Lage der Gebäude und der Größe des Grundstücks.
Zu diesen Fragestellungen äußerte sich der BFH in den beiden Beschlüssen über die Aussetzung der Vollziehung aber nicht. Er ließ beide Fragen ausdrücklich offen.
2. Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch gegenüber dem Finanzamt?
Erstmals hat sich der BFH in einem Urteil jüngst zu den Voraussetzungen und auch zur Reichweite eines etwaigen datenschutz-rechtlichen Auskunftsanspruchs gegenüber Finanzbehörden geäußert.
2.1 Sachverhalt
Der Kläger beantragte im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit mit dem Finanzamt die elektronische Zurverfügungstellung der folgenden Verwaltungsvorgänge:
• Verwaltungsakten
• Betriebsprüfungsakten
• Rechtsbehelfsakten
• etwaige Handakten
• hilfsweise die Überlassung von Kopien personenbezogener Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der angefochtenen Bescheide sind
Er stützte diesen Antrag auf seine Auskunftsrechte nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Das Finanzamt und auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg lehnten diesen Antrag ab. Daraufhin legte der Kläger Revision beim BFH ein.
2.2 Entscheidung des BFH:
Der BFH stellte in seiner daraufhin ergangenen Entscheidung vor allem zweierlei klar: Zum einen unterfällt die Verarbeitung personen-bezogener Daten durch die Finanzverwaltung dem Anwendungsbereich der DSGVO. Damit haben Steuerpflichtige einen Anspruch auf Auskunft, welche personenbezogenen Daten über sie verarbeitet werden.
Zum anderen bedeutete der Auskunftsanspruch des Steuerpflichtigen aber nicht, dass ihm das Finanzamt ganze Akten bzw. einzelne Dokumente (elektronisch) zur Verfügung zu stellen hat, nur weil sie personenbezogene Daten enthalten. Steuerpflichtige haben vielmehr nach der DSGVO nur ein Recht zu erfahren, ob personenbezogene Daten verarbeitet wurden, welche das waren, was die Verarbeitungszwecke sind, wie lange die Daten gespeichert werden, usw.
Nur ausnahmsweise, wenn eine Kopie von Dokumenten unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen, besteht nach Ansicht des BFH ein Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die unter anderem diese Daten enthalten, zur Verfügung gestellt zu bekommen.
3. Meldung TSE-Kassen ab 01.01.2025
Schon seit dem 01.01.2020 sind zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen (TSE) bei der Verwendung elektronischer Registrierkassen grundsätzlich Pflicht (vgl. Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen). Zum 01.01.2023 sind auch die letzten Übergangsfristen abgelaufen.
Seit die Regelung in Kraft ist, gilt außerdem, dass Steuerpflichtige, die eine TSE-Kasse nutzen, dem Finanzamt innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme das Folgende mitzuteilen haben:
1. Name des Steuerpflichtigen,
2. Steuernummer des Steuerpflichtigen,
3. Art der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung,
4. Art des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems,
5. Anzahl der verwendeten elektronischen Aufzeichnungssysteme,
6. Seriennummer des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems,
7. Datum der Anschaffung des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems,
8. Datum der Außerbetriebnahme des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems.
Die Mitteilung muss eigentlich zwingend elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz erfolgen.
Allerdings waren die Finanzbehörden bislang technisch nicht in der Lage entsprechende amtliche Datensätze zur Verfügung zu stellen. Die Mitteilungspflicht wurde daher bis auf Weiteres ausgesetzt (vgl. BMF-Schreiben vom 06.11.2019).
Finanzverwaltung schafft elektronische Übermittlungsmöglichkeit!
Mit Schreiben vom 28.06.2024 teilte das BMF nun mit, dass die elektronische Übermittlungs-möglichkeit ab dem 01.01.2025 über das Programm „Mein ELSTER“ und die ERiC-Schnittstelle (endlich) zur Verfügung gestellt wird. Außerdem weist sie u.a. auf Folgendes hin:
• Die Mitteilung von vor dem 01.07.2025 angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen sollte bis zum 31.07.2025 zu erstattet werden
• Ab dem 01.07.2025 angeschaffte elektronische Aufzeichnungssysteme sind innerhalb eines Monats nach Anschaffung mitzuteilen. Dies gilt ebenfalls für ab dem 01.07.2025 außer Betrieb genommene elektronische Aufzeichnungssysteme.
• Bei jeder Mitteilung sind stets alle elektronischen Aufzeichnungssysteme einer Betriebsstätte in der einheitlichen Mitteilung zu übermitteln.
Nicht angeschaffte (z. B. gemietete oder geleaste) elektronische Aufzeichnungssysteme stehen angeschafften elektronischen Aufzeichnungssystemen gleich
4. Wachstumsinitiative der Bundesregierung
Anfang Juli 2024 hat sich die Bundesregierung auf eine sog. „Wachstumsinitiative“ geeinigt. Dahinter verbirgt sich eine Vielzahl geplanter Maßnahmen, um der deutschen Wirtschaft Impulse für mehr wirtschaftliche Dynamik zu geben. Teilweise wurde die Umsetzung der Planungen auch schon mit ersten Gesetzesentwürfen vorangetrieben (vgl. dazu Punkt 2 und 3). Aus steuerlicher Sicht lassen sich insbesondere folgende geplante Maßnahmen hervorheben:
• Abschreibungsbedingungen verbessern: teilweise bereits in Umsetzung, vgl. Punkt 2
• Ausweitung Forschungszulage: teilweise bereits in Umsetzung, vgl. Punkt 2
• Kalte Progression auch 2025 und 2026 vermeiden: teilweise bereits in Umsetzung vgl. Punkt 2
• E-Mobilitätsstandort stärken:
• Sonderabschreibung für Unternehmen für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge (rückwirkend zum 01.07.2024)
• Erhöhung des Deckels für den Brutto-Listenpreis von 70.000 € auf 95.000 € bei der Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge
• Steuerliche Gleichstellung von ausschließlich mit E-Fuels betriebenen Kfz mit vollelektrischen Kfz
• Steuerrecht vereinfachen: Vorschläge von Experten-Kommissionen werden geprüft
• Mehrarbeit honorieren: Steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit, steuerlicher Anreiz für Ausweitung Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten
• Arbeitsaufnahme in Deutschland steuerlich begünstigen: 30 %, 20 % bzw. 10 % steuerfreier Bruttolohn für ausländische Fachkräfte in den ersten drei Jahren
5. Standortentwicklungsgesetz
Mit dem Regierungsentwurf des Steuerfortentwicklungsgesetz (vormals 2. Jahressteuergesetz) wurde noch im Juli 2024 einige Punkte aus der Wachstumsinitiative der Bundesregierung (vgl. Punkt 1) auf den Weg gebracht. Das Gesetz enthält aber auch Punkte zur Umsetzung von Aufträgen aus dem Koalitionsvertrag. Insbesondere sind folgende geplanten Regelungen zu nennen:
Anpassungen des Einkommensteuertarifs:
• Anhebung des Grundfreibetrags um 300 € auf 12.084 € im Jahr 2025 und ab 2026 um 252 € auf 12.336 €
• Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags um 60 € auf 6.672 € in 2025 um 156 € auf 6.828 € in 2026
• Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für 2025 und 2026
Aufträge aus dem Koalitionsvertrag:
• Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren
• Anpassungen bei den Regelungen zur Gemeinnützigkeit (z.B. Abschaffung Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung)
• Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen
Maßnahmen des Wachstumspakets:
• Reform der Sammelabschreibungen durch Einstieg in die Gruppen- bzw. Pool-Abschreibung (Anhebung auf 5.000 €)
• Fortführung der degressiven Abschreibung für im Zeitraum 2025 bis 2028 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschafts-güter des Anlagevermögens und Anhebung auf das Zweieinhalbfache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kom-menden Prozentsatzes, höchstens 25 %
• Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung durch eine weitere Anhebung der maximalen Bemessungsgrundlage um 2 Mio. € (auf max. 12 Mio. €)
Weitere Maßnahmen:
• Anhebung des Kindergeldes ab Januar 2025 um 5 € auf 255 € monatlich und ab Januar 2026 um weitere 4 € auf dann 259 € monatlich
• Steuerbefreiung der Stiftung Generationenkapital
• Digitalisierung der Sterbefallanzeigen
Der Gesetzesentwurf gilt nicht zuletzt aufgrund des neuerlichen Versuchs, eine innerstaatliche Meldepflicht für Steuergestaltungen einzuführen oder die Steuerklassen III und V abzuschaffen überwiegend als politisch umstritten. Ob die Regelungen in der geplanten Form tatsächlich kommen, bleibt daher abzuwarten. Hier muss die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgt werden.
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